Chez Max by Arjouni Jakob

Chez Max by Arjouni Jakob

Autor:Arjouni, Jakob [Arjouni, Jakob]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Neue Literatur
ISBN: 978-3-257-60367-5
Herausgeber: Diogenes
veröffentlicht: 2015-01-11T00:00:00+00:00


[157] 5

Am nächsten Morgen stand ich mit Alexi, einem meiner Kellner, einem jungen Mann Anfang Zwanzig, im Hof des ›Chez Max‹ und betrachtete den Efeu, der die Mauern bis unters Dach hinauf wuchs und dort die Ziegel anhob und verschob.

Ich hatte einen Kater. Die Nacht zuvor war ich lange nicht zur Ruhe gekommen und hatte zu Hause, bis ich endlich einschlafen konnte, noch zwei Flaschen Bocksbeutel getrunken. Trotzdem war ich schon morgens um sieben ohne Wecker aufgewacht. Nach einem schnellen Frühstück hatte ich Alexi aus dem Bett geklingelt und gebeten, früher zu kommen, um den Hof in Ordnung zu bringen. Das hätte natürlich auch erst am nächsten Tag oder in einer Woche geschehen können, aber bis der Mittagsservice geregelt war, mußte ich im ›Chez Max‹ bleiben, und ich war zu nervös, um einfach nur herumzusitzen oder mich etwa über Papiere zu beugen und die Abrechnung zu [158] erledigen. Ich konnte es kaum erwarten, die Beschattung Chens fortzusetzen, und bis dahin erschien mir die Beschäftigung mit etwas Handfestem wie störendem Grünzeug als genau das Richtige.

»Chef, warum noch mal heißt unsere Fischsuppe Günter? Gestern hat wieder ein Gast danach gefragt.«

»Das ist der Vorname eines deutschen Nobelpreisträgers für Literatur. Das Rezept ist von ihm.«

»Und wann hat der gelebt?«

»Anfang des Jahrhunderts.«

Der Efeu mußte weg. Das Problem war, daß die bis zu zwanzig Zentimeter dicken Stämme über die Jahre in die Natursteinmauern regelrecht hineingewachsen waren und wir mit der Säge, die wir uns bei einem Nachbar geliehen hatten, nicht rankamen.

»Für Literatur«, sagte Alexi gähnend. Seine Haare waren vom Schlaf noch ganz verstrubbelt. »Irgendwie schade, daß er dann wegen ’nem Suppenrezept in Erinnerung bleibt.«

»Bleibt er ja nicht.«

Alexi überlegte. Er war ein netter Kerl, aber nicht der Hellste.

»Aber immerhin fragt jemand danach«, sagte er schließlich.

[159] »Wir brauchen eine Axt.«

»Ja.«

»Geh rüber zum Garten-Center und kauf eine.«

»Vielleicht können wir auch die vom Nachbarn leihen.«

»Geh bitte eine kaufen.«

Alexi schaute mich komisch an. Ich wußte selber nicht genau, warum ich eine eigene Axt wollte. Ich wollte sie eben. Das ›Chez Max‹ konnte sich ja wohl eine eigene Axt leisten!

»Na, los.«

»Okay, Chef.«

Als Alexi gegangen war, ging ich ins Restaurant und machte mir hinter der Theke einen doppelten Espresso. Dabei dachte ich an Alexis erstaunten Blick, als ich darauf bestanden hatte, die Axt zu kaufen. Hatte ich ungeduldig geklungen oder sogar wütend? Oder war eine Axt kaufen zu wollen etwas so Ungewöhnliches?

Wahrscheinlich lag es am typischen Ashcroft-Reflex, sämtliche Handlungen, für die es keine leicht nachvollziehbaren Gründe gab, erst mal als verdächtig einzuschätzen – jedenfalls meinte ich nun plötzlich, und sei es auch bloß für mich, eine einleuchtendere Erklärung finden zu müssen als einfach nur, daß sich das ›Chez Max‹ ja wohl eine Axt leisten könne.

[160] Ich brauchte nicht lange zu überlegen: Zweifellos wollte ich das Gerücht vermeiden, wir hätten schon bei kleinsten Anschaffungen zu sparen. Das war natürlich Unsinn. Andererseits gingen die Umsätze im ›Chez Max‹ seit über einem Jahr kontinuierlich zurück, und sicherlich wirkte auch mein Wachalbtraum vom Abend zuvor noch nach.

Als ich von der Beschattung Chens nach Hause gekommen war und



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.